EX-IN Abschlusspräsentation von Andreas Bürklin (24.07.2017 07:58:31)

Jeder Mensch ist wertvoll,

auch wenn er durch eine psychische Erkrankung in eine Lebenskrise gerät

 

Wenn ich bedenke, dass jeder Mensch in seinem Wesen einzigartig

auf der ganzen Welt ist. Er eine einzigartige Biographie hat,

eine wundervolle und einzigartige Körperfunktion besitzt, so

 wird mir bewusst, welch ein wunderbares Geschöpf

doch jeder Mensch ist.
 

Leider wird dieses Wunder in der heutigen Welt

nicht so anerkannt und behandelt,

wie es ihm eigentlich gebührt.

 

Abschlusspräsentation von Andreas Bürklin

 

 

 

Jeder Mensch ist von Geburt an ein einzigartiges Wunder auf dieser Welt.

 

In meiner nun langjährigen ehrenamtlichen Arbeit als

Leiter der Psychose SHG AWO Singen

konnte ich viele psychisch kranke Menschen auf ihrem

Genesungsweg begleiten.

 

Dabei ist mir aufgefallen, dass zwar alle Mitglieder in unserer SHG

an einer psychischen Erkrankung leiden, der Genesungsweg dennoch

bei jedem individuell ist.

 

Ich konnte in den Jahren erkennen, wie wertvoll und vielfältig

die Lebenserfahrungen jedes einzelnen Mitglieds sind.

 

Und so konnte ich durch meinen eigenen Genesungsverlauf und aus den Genesungswegen

der anderen Betroffenen, die ich kennenlernen durfte, erfahren:

 

„Das richtige Leben erfährt ein Mensch nicht auf

der Autobahn des Lebens, wenn alles in Ordnung erscheint,

sondern da wo das Leben nicht mehr lebenswert ist.“

 

 

Wenn ich an die Lebensjahre vor meiner Erkrankung denke

und diese mit meinem heutigen Leben mit der Psychose Erkrankung vergleiche

fällt mir auf, dass ich heute mein Leben bewusster und sinnvoller gestalte.

 

Nach meinen Erkenntnissen schätzt jeder Mensch sein Leben mehr,

wenn er Lebenskrisen und Defizite in seiner Biographie hinnehmen musste.

 

Ein guter Bekannter von mir meint, dass jeder Mensch an seinen

Anforderungen wachse.

 

Mir ist auch bekannt, dass es Menschen gibt, die an ihrer Lebenskrise

scheitern und daran zerbrochen sind.

 

Dennoch bin ich der Meinung, dass jede Krise auch eine Chance ist,

etwas Besseres daraus zu machen.

 

Wichtig dabei ist, dass jeder in seiner individuellen Krise

von Anfang an die richtige Hilfe zur richtigen Zeit erfährt,

um sein Leben wieder neu zu erobern.

 

Ich habe in meinem Genesungsverlauf auch Menschen kennengelernt,

die an Krebs leiden und eine geringe Lebenserwartung haben.

Diese Patienten begegneten mir meist mit einem Lächeln.

Ich fragte sie, weshalb sie trotz ihres Schicksals so glücklich seien.

 

Sie erwiderten mir gegenüber:

„Andreas, es gibt Menschen, die werden steinalt, haben aber keine einzige

Minute ihres Lebens gelebt. Ich habe jetzt noch eine geringe Zeit, in der ich

richtig leben kann und nicht nur existieren muss.“

 

Die Frage, die ich mir daher während meiner Genesungsphase gestellt habe
war, ob ich jetzt ein Leben aufbauen möchte, in dem ich nur existiere werde

oder in dem ich richtig leben kann:
 

Ich entschied mich für das Zweite, mein Leben zu erleben.

 

 

Wie stelle ich mir meine zukünftige Tätigkeit als Genesungsbegleiter vor?

 

Mir ist im Laufe der Weiterbildung zum Genesungsbegleiter bewusst

geworden, wie wertvoll dieses Tätigkeitsfeld in der

psychiatrische Versorgung ist.

 

Ein Genesungsbegleiter ergänzt meiner Meinung nach die bereits

vorhandenen Berufsfelder in der psychiatrischen Versorgung.

 

Ich konnte in meinen Praktika erkennen, dass das Tätigkeitsfeld des

Genesungsbegleiters sehr willkommen ist und anerkannt wird.

 

Dennoch wurde mir auch in der Ausübung meiner Praktika

bewusst, wie schnell ein psychisch kranker Mensch in seiner

Würde heruntergestuft wird. Auch mir ist es oft passiert, dass

ich den Klienten nicht richtig behandelt habe, weil ich ihn als

hilflos und unzurechnungsfähig einstufte.

 

Das passierte mir meist, wenn ich selbst vom Alltagstress

überrollt wurde und nicht die Kraft besaß, mich mit der

nötigen Aufmerksamkeit dem Klienten zuzuwenden.

 

Welche Ziele setze ich mir als Genesungsbegleiter?

 

Ich möchte den Klienten immer auf Augenhöhe begegnen.

 

Da ich selbst Betroffener bin und in meinem heutigen Leben

einem, für mich hoher Alltagstress ausgesetzt bin, bemühe ich mich

seit drei Monaten mit meiner Therapeutin, mein Leben meinen

Anforderungen anzupassen.

 

Ich möchte in meinem Leben Prioritäten setzten, die mir ermöglichen, mich

mehr auf das Wesentliche zu konzentrieren. Als Genesungsbegleiter möchte

ich gelassener an meine Klienten herantreten und sie als wertvollen

Menschen wahrnehmen.

 

Ich bin sicher, dass jeder Klient wertvolle Ressourcen besitzt,

die er selbst vielleicht nicht mehr wahrnimmt. Deshalb möchte

ich als Genesungsbegleiter den Blick auf die Stärken meiner Klienten richten

und nicht defizitorientiert handeln.

 

 

Inwieweit bereichert mich meine zukünftige

Tätigkeit als Genesungsbegleiter?

 

Da ich gut zuhören kann und die nötige Sensibilität besitze, macht mir die

Tätigkeit als Genesungsbegleiter richtig viel Spaß.

Ich finde es auch sehr lehrreich einen Klienten
auf seinem Genesungsweg zu begleiten. 

 

Gleichzeitig fasziniert mich die Biographie eines jeden Klienten.

 

Mit meinem Zusatzverdienst sind meine Frau und ich in der Lage,
zukünftig eine Familie zu planen. Wir wünschen uns Kinder.

 

Durch die Tätigkeit als Genesungsbegleiter habe ich auch wieder

eine berufliche Perspektive, die mir erneut Selbstbewusstsein

und Selbstvertrauen verleiht.

 

Die Tätigkeit als Genesungsbegleiter vermittelt mir auch wieder das Gefühl,

ein wertvoller und geschätzter Mensch zu sein.

 

Schlusswort:

 

Ich möchte mich bei allen Menschen bedanken, die mich in dieser

Weiterbildung begleitet und unterstützt haben.

 

Durch die Weiterbildung konnte ich sehr viel über mich selbst erfahren
und auch in Bezug auf die Genesungsbegleitung sehr viel lernen.

 

So konnte ich auch die Defizite an mir selbst erkennen, die es mir in den vergangenen

Jahren schwer machten, zu sehen, wie wertvoll ein Mensch ist, auch mit all seinen Defiziten.

 

Ich würde mich freuen, wenn ich auch zukünftig mit allen

beteiligten Personen im Kontakt bleiben könnte.

 

Danke für eure Aufmerksamkeit.

 

Andreas Bürklin